„Die Lage dort ist angespannt“: Autoexperte über die Situation der Zulieferer in der E-Auto-Krise (2024)

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Von: Sebastian Oppenheimer

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Autohersteller kämpfen aktuell mit lauen E-Auto-Absätzen. Woran das liegt – und was das auch für die Zulieferer bedeutet, erklärt Branchenexperte Dr. Alexander Timmer im Interview.

In Deutschland steckt das Elektroauto seit Jahresbeginn in der Krise. Die Käufer sind nach dem Wegfall der Förderprämie durch den Umweltbonus sehr zurückhaltend – die Neuzulassungen von E-Autos brachen im Mai um 30 Prozent ein. Die Hersteller reagieren unterschiedlich: Bei Mercedes verabschiedete man sich etwa von einer rein elektrischen Plattform, die für 2028 geplant war. Anders dagegen bei VW: Markenchef Thomas Schäfer spricht angesichts der Lage nur von einem „Zwischentief“. Dr. Alexander Timmer ist Partner bei Berylls by AlixPartners – einer international agierenden Strategieberatung, die sich auf die Automobilindustrie spezialisiert hat. Im Interview mit IPPEN.MEDIA spricht der Experte über die aktuelle Situation der E-Mobilität, die Lage der Hersteller und Zulieferer sowie die Bedeutung des für 2035 geplanten „Verbrenner-Verbots“.

Herr Dr. Timmer, Elektroautos verkaufen sich in Deutschland seit Beginn des Jahres schlecht. Hauptgrund ist vor allem die Streichung der Förderprämie. Woran liegt die E-Auto-Kaufzurückhaltung noch?

Dr. Alexander Timmer: Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Im Vordergrund steht zunächst einmal der Preis. Aber auch das bestehende Angebot, das die Hersteller den Kunden machen, sorgt für die Kaufzurückhaltung. Es fehlen definitiv Fahrzeuge im A- und B-Segment – also Elektrofahrzeuge in der Kleinwagen- und Kompaktklasse. Das Volumen-Einstiegssegment wird derzeit kaum bedient. Jetzt kann man darüber diskutieren, ob der passende Einstiegspreis bei 20.000 oder 25.000 Euro liegt, aber 30.000 Euro sind es sicher nicht. Vor Kurzem scheiterte eine angedachte Kooperation zwischen Renault und VW für die Entwicklung und Produktion eines elektrifizierten Einstiegsmodells. Selbst das Tesla Einstiegsmodell Model 2 steht auf der Kippe. Als problematisch wird auch immer noch die Ladeinfrastruktur wahrgenommen. Privates und öffentliches Laden in der Stadt ist immer noch eine Hürde und schreckt Kunden vom Kauf eines E-Autos ab.

Es fehlen also kleine, bezahlbare Elektroautos. Wieso bauen die Hersteller diese denn nicht schon längst?

Dass die Elektromobilität über das Premium-Segment eingeführt wurde, hat einen einfachen Grund: Dort sind die Margen größer. Es ist die gängige Praxis, dass Innovationen über die Ober- und Luxusklasse eingeführt werden. Bei der E-Mobilität ist das nicht anders. Wenn wir uns heute die Profitabilität der E-Autos ansehen, möchte ich zwar nicht von einem ruinösen Business sprechen – aber es ist zumindest ein sehr anspruchsvolles Geschäft, selbst im elektrifizierten Premium-Segment. Die wenigsten E-Plattformen – ausgenommen vielleicht zu Hochzeiten bei Tesla, waren profitabel. Selbst im Premium-Segment ist Profitabilität keine Selbstverständlichkeit

„Die Lage dort ist angespannt“: Autoexperte über die Situation der Zulieferer in der E-Auto-Krise (1)

Was bedeutet die aktuelle Situation der E-Mobilität für die Zulieferer?

Die Lage dort ist angespannt. Es ist ein toxisches Gefüge zwischen Zulieferern und Herstellern. Größere Preisnachlässe der Zulieferer gegenüber den Herstellern sind momentan kaum darstellbar. Die Batteriekosten sind schlicht zu hoch, die Margen ohnehin viel zu gering für die Lieferanten. In der Folge schließen Zulieferer erste Standorte für die Fertigung von Hochvoltkomponenten. Fakt ist, dass die Absatzzahlen signifikant geringer sind als von den Zulieferern ursprünglich eingeplant. Bei einzelnen Fahrzeugprogrammen kann der Absatz um mehr als 50 Prozent unter dem liegen, was ursprünglich vereinbart war. Die entstandenen Mehrkosten wollen die Lieferanten an die Hersteller weitergeben, im schlimmsten Fall bleiben die Zulieferer allerdings darauf sitzen. Das macht die Zusammenarbeit zwischen den Parteien derzeit schwierig.

Wie reagieren die Autobauer auf die aktuelle Situation?

Was sich wie ein roter Faden durch die Branche zieht, ist, dass Lebenszyklen von Verbrenner-Modellen verlängert werden. Wir sehen im Gegenzug, dass reine E-Fahrzeug-Plattformen, aufgekündigt werden – weil einfach die Volumen ausbleiben. Zu beobachten sind außerdem Entlassungswellen und Insolvenzen – Fisker ist hier ein prominentes Beispiel. Man ist aktuell gut beraten, technologieoffen zu agieren.

Einige Hersteller haben aber schon den Ausstieg aus dem Verbrenner beschlossen – und setzen auf eine rein elektrische Zukunft. So einfach können die aber nun nicht zurückrudern, oder?

Dass die Elektromobilität kommt, ist unbestritten. Einige Hersteller haben ihre Fabriken bereits umgerüstet. In diesen Werken herrscht derzeit häufig eine Unterauslastung, sodass teilweise wieder Verbrenner produziert werden oder Schichten wegfallen.

„Die Lage dort ist angespannt“: Autoexperte über die Situation der Zulieferer in der E-Auto-Krise (2)

Das für 2035 geplante „Verbrenner-Verbot“ wird momentan teils infrage gestellt. Wird es Ihrer Meinung nach kippen?

Wenn wir mit CEOs und Top-Managern sprechen, dann geht es nicht darum, dass man das Verbrenner-Verbot aufhebt, sondern eher aufschiebt. Mein aktuelles Buchgefühl sagt mir, dass ein Festhalten momentan wenig zielführend ist. Denn seit das Gesetz verabschiedet wurde, haben sich eine Menge Parameter geändert: Krisen, Inflation, Förderungs-Wegfall, mögliche Importzölle – auch die gestiegenen Energiepreise. In diesem Kontext gilt es, das Auslaufen des Verbrenners 2035 noch einmal kritisch zu überprüfen.

Wann geht es für das E-Auto wieder aufwärts?

Wir befinden uns momentan in einer sehr dynamischen Situation mit vielen Unwägbarkeiten. Ich gehe davon aus, dass sich bis Ende des Jahres die Verkaufszahlen für E-Autos wieder erholen werden. Weitere Preisnachlässe der Hersteller und die zu erwartende Verschärfung der Emissionsziele in 2025 werden sich positiv auf die Zulassungszahlen auswirken. Infolge werden die Wachstumsraten wieder deutlich anziehen.

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Die Batterie-Herstellung ist weitgehend in asiatischer Hand. Was bedeutet das für deutsche Hersteller?

Der Marktanteil chinesischer Batteriehersteller liegt weltweit bei ca. 60 Prozent. Das hat selbstverständlich Auswirkungen auf die europäischen Hersteller. Beispielsweise, wenn Fahrzeuge, die für den US-Markt bestimmt sind, in Deutschland montiert und mit einer chinesischen Batterie bestückt werden. So ein Fahrzeug darf im ungünstigsten Fall gar nicht in die USA eingeführt werden, wenn die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China eskalieren. Und natürlich ist es eine Kostenfrage: Eine Batterie macht 30 bis 40 Prozent der Materialkosten eines Fahrzeugs aus. Chinesische Hersteller sind häufig hoch vertikal integriert und verfügen über eigene Fertigungskapazitäten für Batterien. Hieraus ergeben sich Kostenvorteile, die wiederum als Nachlässe an den Endkunden weitergegeben werden können. Als Beispiel sei hier BYD angeführt, die eigene Zellen inhouse fertigen und damit die komplette Kostenstruktur unter Kontrolle haben.

Immer wieder werden auch beispielsweise Wasserstoff und E-Fuels als Alternativen zur E-Mobilität genannt. Können diese sich im Pkw-Massenmarkt durchsetzen?

Für die Individualmobilität werden diese Antriebsformen eine Randerscheinung bleiben. An eine relevante Größenordnung kann ich nicht glauben. Anders sieht das beispielsweise beim kommerziellen Fernverkehr aus. Da wird Wasserstoff eine sinnvolle Ergänzung sein.

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